Geschlossene Offenheit des Experteninterviews

In meiner Dissertation geht es ja um Nachhaltigkeit und Nutzerorientierung im Kontext des Entlassungsmanagements von Krankenhäusern. Dabei geht es zum einen um die Frage, was die dort aktiven Professionellen unter diesen Begriffen verstehen und wie sie diese konzeptionell für ihre Arbeit verwenden können. Zum anderen frage ich mich, ob und wie Nachhaltigkeits- und Nuzterorientierungskonzepte als Strategie zur Steuerung und Strukturierung des Versorgungsprozesses unter Berücksichtigung möglicher Schnittstellenprobleme bei der organisationsübergreifenden Koordination und Abstimmung unterschiedlicher, am Versorgungsprozess beteiligter Einrichtungen eingesetzt werden (können).

Diesen Fragen möchte ich nicht nur theoretisch, sondern auch empirisch nachgehen. Die Überlegung ist, die professionellen Akteure mit Hilfe von qualitativen Experteninterviews zu befragen. Interessant dabei wäre, etwas über das Wissen der Befragten über ihre Praxis herauszufinden und wie sie ihre Alltagspraxis reflektieren. Damit wäre man im Bereich der qualitativen Organisationsforschung. Und das Experteninterview ist gut geeignet für diese Art von Forschung, weil es geschlossen ist insofern, dass theoretisches Vorwissen im Vorfeld durchaus intensiv expliziert werden kann, und dabei gleichzeitig offen genug ist, um neue Einblicke in Forschungsfelder zu gewinnen.

Zitat aus dem oben bereits verlinkten Artikel:Durch seine doppelte Ausrichtung, die wir „geschlossene Offenheit“ genannt haben, nimmt das Experteninterview allerdings eine eigentümliche Zwitterposition innerhalb des interpretativen Paradigmas ein. Immer dann, wenn das Forschungsinteresse darauf abzielt, komplexe Wissensbestände zu rekonstruieren, ohne auf bereits vorab formulierte theoretische oder sekundäranalytische Überlegungen zu verzichten, sind Gespräche mit Experten eine vorzügliche Methode, neue Einblicke in Forschungsfelder zu gewinnen, ohne konzeptuelle Vorüberlegungen außen vor lassen zu müssen bzw. diese erst gar nicht zu explizieren. Im Gegenteil: Indem theoretisches Vorwissen offen gelegt (und in den Fragekomplexen des Interviews zum Ausdruck gebracht) wird, besteht die Möglichkeit, neu gewonnene Erkenntnisse in den Forschungsprozess wieder einzuflechten.

Als Analyseheuristik möchte ich übrigens praxeologische oder praxistheoretische Ansätze (Kaletzki, Reckwitz, Vogd…) verwenden, die sich meiner Meinung nach sehr gut auf einen systemtheoretisch ausgearbeiteten Theorieteil beziehen lassen. Für Hinweise, Anregungen, Literatur etc. bin ich wie immer sehr dankbar!

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